Woran erinnert man sich, wenn man sich katholisch erinnert ? An die wunderschönen Lieder in der Maiandacht ? An das »Meerstern, ich dich grüße«, an das »Großer Gott, wir loben dich« mit dem leidenschaftlichen Geklingel der Messdiener? Ans dumpfe Gemurmel im Beichtstuhl, der in dieser Erzählung so schön »Sündenschrank« heißt ? Erinnert man sich an die zehn »Vaterunser« oder »Gegrüßet seist du, Maria«, die einem als Buße aufgegeben wurden ? Oder an die Sammeltassen als Kommunion-geschenk ? An die Blumenteppiche zur Fronleichnamsprozession? An die ersten Zweifel ?
Ja, sie sind zwiespältig, diese Erinnerungen an die heile – scheinbar heile – Welt des katholischen »Sünderdorfes« im
Elsass der fünfziger Jahre. Der manchmal nachsichtige, manchmal auch bissige Humor, mit dem Pierre Kretz seine fromme Kindheit aufleben lässt, darf und soll nicht täuschen. Wir lächeln, wenn wir lesen, dass Peugeotfahren »evangelisch« ist – und Renaultfahren »katholisch«. Wir lachen, wenn eine unverhoffte Pilzschwemme am Wegrand als »Pfingstwunder« erlebt wird, wir runzeln die Stirn, wenn der Herr Pfarrer immer öfter und immer dringlicher sich erkundigt, ob der zwölfjährige Bub denn noch immer nicht Jesu Ruf zum Priestertum spürt – und sind einverstanden, wenn der Sechzehnjährige ganz allmählich Abstand gewinnt zu den quälenden Gewissenserforschungen des Beichtspiegels, der Unfrohbotschaft der Todsünden, des Fegefeuers, der Askese.
Wir gratulieren zum Hebel-Preis:
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